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Montag, 26. Juli 2010

Miss Kittin & The Hacker stellen sich vor

Es war im Jahr 2001. Das elektronische "Frank Sinatra" Liedchen, mit seiner leichten Melodie und Miss Kittin's schneidendem Sinn für Humor, tourte um die Welt: "To be famous is so nice. Suck my dick! Lick my ass! In limousines we have sex, every night with my famous friends." Karl Lagerfeld, Marilyn Manson und Elton John (der sagt, er habe all seinen Freunden eine Kopie in die Hand gedrückt) sind selbsterklärte Fans des Duos. Durch Miss Kittin & The Hacker's Erfolg hat die französische Szene, ganz unerwartet, eine zweite Welle erlebt, nach den "French House Disco Loops".
Caroline Hervé (a.k.a. Miss Kittin) und Michel Amato (a.k.a. The Hacker) treffen sich während der frühen 90er bei einem Rave in Grenoble. Dieser Trend, mit voller Wucht bereits in den UK angekommen, wird nur zögerlich in Frankreich aufgegriffen: "Wir waren wohl etwa 10 Leute, die in Grenoble zu Techno-Parties gegangen sind", erinnert sich The Hacker. Denn für viele Leute ihrer Generation ist Techno ein musikalischer und kultureller Schlag ins Gesicht. Die zwei Freunde kaufen sich Plattenspieler und werden DJs. Ihre Bekanntheit, vor allem national, wächst mehr und mehr. Im Jahr 1996 fragt das französische Label Tekmics Miss Kittin nach einem Track für eine Compilation. Sie bittet The Hacker um Hilfe, der mittlerweile Tracks sowohl unter dem
Projektnamen XMF (zusammen mit Benedikt Bollini) als auch eigene Technostücke produziert. Das Duo Miss Kittin & The Hacker erblickt das Licht der Welt. Ihr erster Track heißt "Gratin Da
uphinois". Andere werden sehr bald folgen...
Zu dieser Zeit ist Techno, im wahrsten Sinne des Wortes, auf dem Gipfel angelangt. Das Tempo ist oft rasend schnell und die Musik brachial, basierend auf einer Überlagerung von hypnotischen Loops. Diesen Stil benutzen Miss Kittin & The Hacker bei ihren DJ Sets (Jeff Mills ist einer ihrer Helden), doch für ihre eigenen Kompositionen entscheiden sie sich für eine andere Richtung, ziehen es vor abzutauchen in unbefangenen und zwanglosen Elektropop. Ihre Arrangements sind auf den Punkt gebracht, spontan, als wären sie ungeplant, vorwiegend erzeugt mit Grundmaterial (einige Synthies, Beat-Box, Mikrofon...). Miss Kittin & The Hacker's Melodien sind auf gewisse Weise unorthodox. Ihr Techno hat ein songartiges Format - auf dem Strophe-Refrain Popschema basierend, stark beeinflusst von den 80ern (insbesondere von Cabaret Voltaire, Depeche Mode oder New Order).
Der Münchner DJ Hell, gerade im Begriff, das International DJ Gigolo Label zu gründen, begeistert sich für die Demos des Duos und nimmt diese 1997 unter Vertrag. Die ersten EPs von Miss Kittin & The Hacker (z.B. "Champagne" und "Intimités") starten sofort durch auf die andere Seite des Rheins. Der Hit "1982" (eine Reminiszenz an die Musik aus jenem Jahr) schafft es sogar ins MTV Deutschland. Ein anderer Titel hebt sich ebenfalls sehr schnell ab: "Frank Sinatra" - eine eigenständige und rauschhafte Hymne, komponiert während einer nachmittäglichen Jamsession im Ozone Record Shop Studio in Grenoble.
Miss Kittin & The Hacker finden sich bald auf der Bühne wieder. Ihr Profil ist beeindruckend: sie - üppig, vorn auf der Bühne, als Krankenschwester-Domina gekleidet, und er - im Hintergrund, statuenhaft hinter seinen Maschinen. Das ultimative 1980er Fantasiebild-Duo: die Diva im flammenden Rampenlicht, der Komponist im Schatten. Schon bald machen sich andere Künstler einen Namen, indem sie diese melodische Elektropop-Glam-Formel benutzen. So werden z.B. Tiga und Fischerspooner Stars unter dem Electroclash-Banner, für das Miss Kittin & The Hacker als Pioniere angesehen werden können.
"First Album" wurde 2001 veröffentlicht, angekündigt durch eine neue Single-Version von "Frank Sinatra" ("Frank Sinatra 2001"). Dieses erste Album greift die bei Franzosen scheinbar so beliebten Themen wieder auf: synthetischen Smiley- und unbedarften Elektropop ("Life On MTV", "Stock Exchange"…), aber auch düster und bösartig ("Stripper"), kenntlich durch Miss Kittin's französischen Akzent in ihrer höhnischen Stimme. Das Album markiert die nächste Stufe. Verstärktes Touren, das Duo tritt jedes Wochenende auf und fliegt in die USA, Kanada und nach Südamerika...
Ende des Sommers 2002 erreicht Electroclash seinen Höhepunkt und Miss Kittin & The Hacker sind an ihrem Gipfel angelangt. In diesem Moment beschließen sie, Feierabend zu machen. "Wir waren erledigt, wir brauchten eine Pause, Zeit für andere Projekte und wollten uns nicht auf einen musikalischen Stil festlegen", gesteht The Hacker ein. Viele sprachen von einem Bruch, was nicht stimmt. "Wir haben uns nie getrennt, wir legten einfach eine lange Pause ein", grinst Miss Kittin.
Im späten 2002 werden Miss Kittin & The Hacker, sowohl zusammen als auch Solo, zu Referenzen der elektronischen Musik. Die erstere besitzt eine gefragte Stimme (Kollaborationen mit Felix Da Housecat, Sven Väth…) ist ein DJ Star mit eklektizistischem Gespür (demonstriert durch ihre Mix-CDs: "Radio Caroline", "A Bugged Out Mix"…), deren Album "I Com" (2004) viel Erfolg genossen hat. Der andere seinerseits wird unübertroffener Electro und Techno DJ, bringt EPs und Remixe heraus (Marc Almond, Laurent Garnier, Air, Nitzer Ebb…). Seine Karriere nimmt eine neue Wendung durch den Erfolg seines zweiten Albums "Rêves Mécaniques" (2004), angeführt vom Hit "Flesh & Bone".
Schließlich, inmitten ihrer blühenden Solokarrieren, findet das Duo genauso wieder zusammen, wie sie sich trafen: zufällig. Das Jahr 2006 hindurch, ganz spontan, ohne jeden Druck und nur zum Spaß, komponiert das französische Duo einige Stücke miteinander. Zwei davon erscheinen im Frühling 2007 auf der "Hometown" EP (veröffentlicht auf Goodlife, gegründet 1998 von The Hacker und seinem Freund Oxia). Miss Kittin & The Hacker, voller neuer Visionen und zwei sich scheinbar ergänzende Extreme. "Hometown" umfasst ein leichtes, emotionales Disco Thema (als Homage an ihre Heimatstadt Grenoble). "Dimanche", komponiert in Berlin nach der Rückkehr von einer Afterparty, ist düsterer Minimaltechno, beeinflusst von 1990er Raves.
Sehr schnell wird eine Tour organisiert. Der Startschuss fällt bei einem gewaltigen Gig vor Tausenden auf der berühmten "Pont du Gard" Brücke in Südfrankreich im Juli. Und jeder weitere Gig vor enormen Publikum. Das Duo nutzt diese Erfahrung, um eine neue Bühnenpräsenz zu definieren. Zwischen überarbeiteten ("revisited") und neuen Stücken ("Belgium", "PPPO" oder das großartige Cover von Elvis Presley's "Suspicious Minds") lassen Miss Kittin & The Hacker die Widersprüchlichkeit des Electroclash hinter sich zurück, und es erscheint eine vollkommen zugängliche, elegantere, reifere und individuellere, aber immer noch poppige Seite. Ein erster, verlockender Appetithappen auf ihr neues Album und die anstehende Tour, die zweifellos eine DER großen, elektronischen Musikereignisse des Jahres 2009 werden wird.

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